2007-03-18

Soziologie für alle

"Ich glaube nur der Statistik, die ich selber gefälscht habe." So wird oft und gerne Winston Churchill zitiert - dummwerweise hat er das wohl so nie gesagt. Trotzdem kommt man immer wieder zu dem Eindruck, dass sich mit Statistiken alles und nichts beweisen läßt, und oft genug auch das genaue Gegenteil. Einerseits kann man falsche Zahlen veröffentlichen oder verwenden, oder man kann mit ungenauen, windigen oder schlichtweg falschen Schlussfolgerungen alles mögliche in die Zahlen hineininterpretieren. Für das eine wie für das andere Vorgehen lassen sich immer wieder Beispiele finden. Wenn man den Daten glaubt, aber seine eigenen Schlüsse aus ihnen ziehen will, dann geht das mit dem Programm "Gapminder World" von Gapminder und Google jetzt etwas einfacher. Dabei handelt es sich um eine Flash-Anwendung, in der man verschiedene Daten miteinander verknüpfen und auf ansprechende Weise darstellen kann.
Als Beispiel sind 17 Werte (Bevölkerungszahl, Geburten- und Sterblichkeitsrate, Pro-Kopf-Einkommen, Militärausgaben, CO2-Austoß, usw.) teilweise seit 1960 für alle Länder der Welt zusammengetragen. Man kann jeweils zwei dieser Werte miteinander korrelieren und sich den zeitlichen Verlauf ansehen. Auf diese Weise kann man selber versuchen, Zusammenhänge ausfindig zu machen und unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Regionen der Welt zu entdecken. Hier einige Beispiele:
  • Vergleicht man die Geburtenrate mit der Sterblichkeitsrate, erkennt man einen starken Unterschied zwischen der Dritten Welt (insbesondere Afrika) und der technisierten Welt. Vor allem im zeitlichen Verlauf sieht man, wie ein ganzer Kontinent regelrecht abgehängt wurde.
  • Eigentlich sollte man annehmen, dass die Kindersterblichkeit umso stärker sinkt, je mehr Ärzte zur Verfügung stehen. Vergleicht man die Entwicklung in Eritrea mit der in der Elfenbeinküste, dann scheint sich diese Theorie nur teilweise zu bestätigen.
  • Die zunehmende Urbanisierung im Laufe der Zeit kann man ebenfalls sehr schön verfolgen. Interessant ist dabei der Vergleich zwischen Ländern wie Deutschland und Mexiko.
  • Das Internet hat inzwischen fast jeden Winkel der Welt erreicht. Technische Voraussetzung war und ist häufig das Telefon. Vergleicht man die Nutzung dieser beiden Medien im Laufe der Zeit, erkennt man sehr schön, wie zunächst die eine, dann schlagartig die andere Technologie Einzug hält. Selbst Nordkorea konnte dann irgendwann der Einführung des Internets nicht mehr widerstehen.
Häufig lassen sich schon durch den zeitlichen Verlauf eines einzelnen Parameters große Umwälzungen und Ereignisse erkennen. Kriege, Bürgerkriege, Diktaturen, aber auch AIDS hinterlassen immer wieder ihre Spuren. Aber natürlich verleitet die Anwendung auch zu unsinnigen Schlussfolgerungen, oder man sieht Zusammenhänge, die bestenfalls indirekt sind. Das Werkzeug ersetzt also keinesfalls eine fundierte Ausbildung, wie z.B. die eine oder andere Vorlesung in Statistik. Aber es kann Ideen liefern, sich mit bestimmten Fragen auseinanderzusetzen und nachzuforschen. Es kann neugierig machen. Und das können viel zu oft nur die wenigsten Vorlesungen - egal ob über Statistik oder andere Dinge.

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