2006-08-02

Le Tour de Pluie

Eigentlich müsste einem der Spaß am Radsport ja inzwischen gründlich vergangen sein. Ich hatte noch die stille Hoffnung, dass im Fall Landis irgendeine Begründung für den erhöhten Testosteron-Wert gefunden wird, die nicht auf einen Betrugsversuch durch den Fahrer selber zurückzuführen ist. Doch danach sieht es nun nicht mehr aus. Somit muss man sich schon fragen lassen, warum man als Zuschauer und Fan immer noch Radrennen ansieht. Vielleicht weil man hofft, dass unter 200 Fahrern nicht alle mit Medikamenten vollgepumpt sind, und es genügend gibt, die sich ganz ehrlich quälen. Und dazu hatten die Teilnehmer der heutigen Etappe der Deutschlandtour reichlich Gelegenheit. Fuhren sie gerade noch bei weit mehr als 30 Grad Celsius durch die brütende Sonne der Provence, durften sie heute bei weniger als 20 Grad den strömenden Ostwestfälischen Regen genießen. Gegen zwei Uhr sah es bei mir vor der Haustür etwa so aus. Da hätte ich mich nicht freiwillig auf den Sattel geschwungen. Die erste Etappe führte die 22 Manschaften über fast 200 Kilometer von Düsseldorf nach Bielefeld. Aber anderen Leuten bei der Arbeit zusehen, die Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Dank eines inzwischen genügend großen Überstundenkontos habe ich mir den Tag einfach mal freigenommen, um die Ankunft hautnah miterleben zu können. Das Ziel lag zwischen Jahnplatz und Willi-Brandt-Platz, und der ganze Bereich war natürlich für den regulären Verkehr weiträumig gesperrt. Um den Jahnplatz herum hatten sich die Sponsoren und Ausrüster der diversen Teams aufgebaut. Insbesondere konnte man reichlich Winkelemente erhaschen, die u.a. sprichwörtlich von der Laderampe eines LKWs verteilt wurden. Da es in diesem Bereich bereits lange vor Ankunft des Feldes brechend voll war, habe ich mich etwas in Richtung Flamme Rouge begeben, die in der Nähe der Kunsthalle hing. Kurz danach verfluchte ich meine Kamera (nicht zum ersten mal überhaupt, und nicht zum letzten mal an diesem Tag), dass es immer eine halbe Ewigkeit dauert, bis man nach dem Einschalten ein Foto schießen kann. So kann ich leider nicht dokumentieren, wie Ernie in seiner üblichen Dienstkleidung vorbeiradelte. Ein anscheinend ortsfremder Organisationshelfer hielt ganz aufgeregt einen gerade vorbeifahrenden Polizeiwagen an: "Wir haben einen Flitzer auf der Strecke!" Ich habe leider die Antwort der Beamten nicht mitbekommen, hatte aber nicht den Eindruck, dass sie in übermäßigen Aktionismus ausbrachen. Nachdem es dann kurz nach vier ein weiteres mal richtig zu schütten angefangen hatte, kam die Werbe-Karawane vorbei, die allerlei Devotionalien unter das Volk warf. Leider kam genau auf meiner Höhe der Wagen eines Sponsors zu stehen, von dem ich nicht unbedingt irgendwelche Kostproben haben wollte. Dann passierte erstmal nichts, und dann ging alles rasend schnell. Vorgewarnt durch diverse Tour-Fahrzeuge und Polizei-Motorräder, preschte mit einem mal das Feld vorbei. Den ersten Fahrer habe ich schon garnicht mehr erwischt, und die nächsten waren für meine Kamera auch noch zu schnell. Immerhin kann man mehr erkennen als auf diesem Bild von der Tour de France. Vor allem war ich hin- und hergerissen, ob ich mir das Ereignis nun direkt ansehen sollte, oder durch den Sucher (bzw. auf dem LCD-Display) des Fotoapparates. Von den Fahrern konnte ich übrigens keinen erkennen. Wie ich erst später im Fernsehen und auf den Presse-Fotos gesehen habe, wäre das aber auch bei halber Geschwindigkeit nur schwer möglich gewesen. Nach den unmittelbar um den Tagessieg kämpfenden Fahrern kamen weitere kleinere Gruppen an, die es nicht mehr ganz so eilig hatten. Anscheinend hatte die Bergwertung "Peter Auf'm Berge" das Feld doch etwas auseinandergerissen. Ich habe dann zwar noch versucht, mich wieder in Richtung Ziel durchzuschlagen, aber durch die Absperrungen, die diversen Aufbauten und die Unmengen von Leuten war das kaum möglich, und ich habe daher meinen ersten Tour-Tag beendet. Als Fazit muss ich sagen: Wer die Volksfest-Atmosphäre so eines Ereignisses mag, der hat sich bestimmt gut amüsiert. Ich persönlich werde beim nächsten Mal vermutlich doch wieder vor dem Fernseher sitzen, da man dort einfach mehr vom Sport mitbekommt. Alternativ würde ich mir vielleicht einen anderen Beobachtungsort aussuchen, wie z.B. die Bergwertung. Klar im Vorteil sind natürlich die Zuschauer bei Rennen wie der Nacht von Hannover oder den Hamburger Cyclassics (oder natürlich der Schluß-Etappe der Tour de France), wo aufgrund der Streckenführung die Fahrer mehrfach an einer Stelle vorbeikommen.

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