2005-09-27

Frechheiten

Auf diesen Tag habe ich gewartet. Irgendwie habe ich immer damit gerechnet, dass irgendjemand mal zugibt, dass wir Quereinsteiger eigentlich unerwünscht und vor allem ungeeignet sind, und heute ist es endlich passiert. Ich war heute auf der Jahrestagung des MNU-Landesverbandes Westfalen (ja, die Web-Seite sieht tatsächlich so krank aus), und musste mir von einem Herrn Psarski von der Bezirksregierung Arnsberg zum Thema Informatik-Referendare sinngemäß anhören: "In letzter Zeit sind ja Informatik-Quereinsteiger zu mir gekommen, die aus ihren ursprünglichen Berufen entlassen wurden, die dann aber gleich gesagt haben, dass sie Schule ja nur als Notlösung ansehen. Diese Leute können von ihren didaktischen Fähigkeiten mit echten Lehrern natürlich nicht mithalten. Und das bisschen Fachwissen, dass können sich echte Lehrer als Autodidakten sowieso viel besser aneignen." Am meisten ärgert mich im Nachhinein, dass ich nicht einfach aufgestanden und rausgegangen bin. Das beste war nämlich, dass wir am Vormittag ein wunderschönes Beispiel für die Kenntnisse und Fähigkeiten dieser Autodidakten bekommen haben. Thema eines anderen Vortrags war "Netzwerkgrundlagen und Client-Server-Applikationen". Das die Form mehr als zu wünschen übrig lies (48 zum Teil unleserliche Folien in einer knappen Stunde), kann ich als pädagogischer Laie natürlich nicht beurteilen (auch wenn eine solche Darbietung in einem meiner Uni-Seminare von mir passend kommentiert worden wäre). Viel spannender war für mich aber zu sehen, welche merkwürdigen Vorstellungen und urban legends entstehen, und viel schlimmer: unterrichtet werden, wenn solche Autodidakten sich damit befassen. Da wird z.B. "der Weg einer Mail" mit Hilfe von traceroute erläutert (schon mal was von A- und MX-Records gehört?). Da wird behauptet, der IP-Header enthielte die Adresse des nächsten Routers (gemeint ist wohl, dass die link-layer-Adresse des next hop im entsprechenden header steht). Und da wird die Kommunikation über sockets mit Hilfe von FTP erläutert, natürlich ohne auf die Besonderheit von control connection und data connection einzugehen, was dieses Protokoll so ziemlich zum schlechtesten Einstiegsbeispiel unter den "klassischen" TCP/IP-Protokollen macht. Von der üblichen Leichtgläubigkeit (da müssen wir einfach nur Verschlüsselung einsetzen, dann ist das sicher) will ich garnicht erst schreiben... Die Tatsache, dass ich mein im vorherigen Beruf erworbenes Wissen bisher nur sehr spärlich als Lehrer einsetzen konnte, ist mit ein Grund für die hin und wieder auftretenden Frust-Attacken. Erlebnisse wie das heutige können mir aber eigentlich nur die Hoffnung geben, dass dieses Wissen sinnvoll eingebracht werden kann, ja sogar dringend gebraucht wird.

2005-09-10

Die Tage werden kürzer, die Wochen werden länger

So kommt es mir zumindest vor. Nachdem alle meine Schüler wieder wohlbehalten nach Steinheim zurückgekehrt sind, ist heute die erste richtige Woche voll Unterricht zu Ende gegangen. Genau: Heute ist Samstag. Nach dem Seminar Erziehungswissenschaften am Vormittag war ich am Nachmittag noch in meiner Schule, die heute einen Sponsorenlauf veranstaltet hat. Und: So ein richtiges Ende der Woche gibt es eigentlich überhaupt nicht. Der Sonntag muss für die Planung der nächsten Stunden herhalten. Ich weiss auch nicht, eigentlich sollte es nach den Ferien ja ganz anders laufen. So mit langfristiger Planung, damit ich immer weiss, was ich in den nächsten Wochen machen will und wo ich bis zur nächsten Klausur hin muss. Aber jetzt bin ich schon wieder in dem Trott, mich von Stunde zu Stunde zu hangeln. Immerhin geht es nicht nur mir so, sondern auch dem einen oder anderen Referendarskollegen. Und ich habe die leichte Hoffnung, dass sich der Zustand demnächst bessern könnte. Entweder, weil ich langsam besser mit dem Stoff vertraut werde, oder weil ich merke, dass es so einfach nicht mehr weitergehen kann. Und dann bin ich unschlüssig, wie ich die aktuellen Meldungen über den Lehrermangel bewerten soll. Einerseits verbessert das natürlich die Aussicht, nach dem Referendariat übernommen zu werden. Andererseits drückt es aber die Motivation, dass man im Prinzip auch mit einem mieserablen Abschluss noch Chancen hat. Niemand wird gerne mit Nieten in einen Topf geworfen, völlig unabhängig davon, ob man selber eine ist oder nicht. Wenn man sich schon jetzt auf Sprüche wie "Sie haben Ihr Examen wohl im Lotto gewonnen!" einstellen kann, macht das nicht unbedingt Lust auf den Beruf. Im Prinzip hat die Politik zwei Möglichkeiten, auf die Situation zu reagieren: Entweder wird der Beruf des Lehrers "entstresst", um wieder mehr Bewerber zu gewinnen, oder den vorhandenen Lehrern wird noch mehr Arbeit aufgehalst. Sollen wir mal eine Prognose wagen???

2005-09-02

neulich im Kino: "Charlie and the Chocolate Factory"

Kino-Trailer gehören verboten! Entweder sie nehmen alle guten Szenen eines Films vorweg und man quält sich dann im Kino durch den Rest. Oder sie haben kaum etwas mit dem Film zu tun, und um ein Haar verpasst man zwei Stunden richtig gute Unterhaltung. "Charlie and the Chocolate Factory" und die zugehörige Werbung gehören zur letzten Kategorie. Die Geschichte von Roald Dahl, die schon öfters verfilmt und auch schon manches mal veralbert wurde, ist eigentlich recht einfach gestrickt. Der Schokoladenfabrikant Willy Wonka lädt fünf Kinder in seine Fabrik ein. Vier davon sind wahre Kotzbrocken, denen im Laufe des Films der eine oder andere Unfall passiert. Nur ein Kind ist gut, nett, wohlerzogen - und bettelarm. Soweit zum offensichtlich moralisch erhobenen Zeigefinger, der heute vielleicht etwas antiquiert wirkt (nicht unbedingt ist). Was den Film absolut sehenswert macht ist nicht die Geschichte, sondern wie sie erzählt wird. Hat Johnny Depp eigentlich schon mal eine halbwegs normale Rolle gespielt? Als exzentrischer Willy Wonka lebt er in seiner eigenen Welt und wirkt völlig durchgeknallt, lässt dann aber urplötzlich und ohne Vorwarnung die tollsten Sätze vom Stapel. Regisseur Tim Burton arbeitet nicht nur zum wiederholten Male mit Depp zusammen, sondern hat auch wieder seinen Stamm-Komponisten Danny Elfman für die Musik verpflichtet. Die meisten Liedtexte stammen von Dahl, werden aber auch schon mal mit moderner Musik unterlegt. Und gerade bei den Musiknummern tritt der heimliche Star des gesamten Films in den Vordergrund: Deep Roy. Obwohl dieser Schauspieler in den letzten 30 Jahren oft nur für Augenblicke in Nebenrollen zu sehen war (in einem der schlechteren "Pink Panther"-Film, oder als Besitzer der Rennschnecke in der Unendlichen Geschichte), fällt er durch seine Körpergröße von etwas mehr als 1,30 Meter auf. In diesem Film spielt Roy sämtliche Oompa-Loompas, die fleißigen Arbeiter der Schokoladenfabrik. Laut imdb.com waren es 165 Rollen, und kaum zwei sind wirklich identisch, jeder hat eine eigene Persönlichkeit. Es ist eine wahre Freude zu sehen, wie Burton diesem Schauspieler die Möglichkeit gibt, sich einmal richtig auszutoben und sein Können zu zeigen. Auch diesen Film kann ich nur empfehlen (ich glaube, über andere würde ich garnicht erst schreiben...). Wenn man sich nicht an der im Grunde simplen Story stört, sondern sich an einem wirklich super gemachten Film erfreuen will (der zudem bis in die kleinsten Rollen mit grandiosen Schauspielern besetzt ist), dann sollte man sich von dem Trailer nicht abschrecken lassen und sich für zwei Stunden in die Welt von Willy Wonka entführen lassen.